Merlin, der Druide von Camelot by Manfred Böckl

Autor:Manfred Böckl [Böckl, Manfred]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-01-03T00:00:00+00:00

DER DRITTE ROTE STEIN

Camelot

Vorfrühling 489 bis Frühling 493

Nur undeutlich vermochte der Greis, dessen Geist in die Höhle auf der Gläsernen Insel zurückgekehrt war, das Antlitz Nimues zu erkennen. Es war ihm, als würden die Gesichtszüge der Pendruid von Avalon immer wieder hinter wäßrigen Schleiern verschwinden – aber dann wurde der Blick des Siebzigjährigen klar, denn behutsam hatte Nimue seine Tränen getrocknet.

Nun streichelte ihm die Herrin der Ynys Avallach über das schüttere Haar, ergriff seine Hände und sagte anteilnehmend: »In jenen Tagen, da ihr nach Caer Nant gezogen seid und die Toten in die Herrscherfestung von Tintagel heimgebracht habt, hast du wahrlich sehr großes Leid ertragen müssen.«

»Ebenso wie Arddwr verlor ich meinen Vater«, flüsterte Myrddin. »Und außerdem zwei überaus teure Freunde …«

»Manchmal prüfen uns die Mächte von Annwn beinahe über die Maßen«, erwiderte Nimue. »Und dich prüften sie wenige Monate nach der Beisetzung von Morvryn, Uddyr und Gorlois ein weiteres Mal.«

Neuerlich wurden die Augen des Greises feucht. »Schon bald stand ich auch am Grab meiner Mutter … Arwen konnte den Tod Morvryns nicht verwinden … Noch im Spätwinter folgte sie dem, den sie über alles geliebt hatte, in die Anderswelt …«

»Sie starb in deinen Armen im Dun über dem Flußtal des Tywi«, nickte die Pendruid. »Und du als ihr einziger Sohn hättest damals die Königswürde erlangen und den Stamm der Demetier regieren können. Zahlreiche Edle baten dich, den Thron zu besteigen, doch du sorgtest dafür, daß ein anderer erhöht wurde.«

Versonnen schaute der Siebzigjährige zum Bogenfenster in der Kavernenwand, durch welches von dünnem Nebel gedämpftes Nachmittagslicht in den Höhlenraum fiel. »Meine Aufgabe war es, denjenigen, der nach dem Willen der Gottheiten zum Rhiotam aufsteigen sollte, auf seinem Weg zu begleiten und ihn zu beraten. Deshalb lehnte ich die Herrschaft über die demetischen Gaue ab und schlug den Adligen vor, einen in Krieg und Frieden verdienten Neffen Arwens zum Stammeskönig zu erwählen.«

»So trat der edle Meurig die Nachfolge deiner Mutter an.« Nimue gab Myrddins Hände frei und bückte sich, um das Herdfeuer zu schüren. »Und ich denke, er regierte durchaus in deinem Sinn.«

»Meurig hatte bereits zuvor, als er noch Gauhäuptling im Westen unseres Siedelgebietes gewesen war, eine Menge geleistet«, antwortete der Greis. »Und nachdem er Herrscher der Demetier geworden war, durften Arddwr und ich uns stets auf seine unabdingbare Treue und selbstlose Unterstützung verlassen.«

»Er diente seinem Volksstamm und Britannien bis zu seinem Tod vor zehn Jahren vorbildlich«, bestätigte die Pendruid.

»Schon wieder reden wir von einem, dessen Sterben mir Schmerz bereitete«, seufzte Myrddin. »Und jetzt, da wir all dieser Abgeschiedenen gedenken, erinnere ich mich an einen weiteren Freund, der in den Monaten nach der Schlacht von Caer Nant nach Annwn wanderte …«

»Du meinst Gwydion, welcher den Großen Wissenden im Hain von Barclodiad y Gawres vorstand?« erkundigte sich Nimue.

»Er war lange Zeit mein Lehrer und führte mich auf seine grundgütige Art tief in die irdische und überirdische Weisheit ein …« sagte der Greis leise. »So viel Erkenntnis schenkte er mir … Erkenntnis, die es mir später unter anderem ermöglichte, die wichtigste Festung des Rhiotam mit

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